In der WWF-Studie „Water for Nature, Water for Life – adapting to Europe‘s water scarcity challenge“ wurden in Fallstudien aus ganz Europa unterschiedliche Probleme hinsichtlich des Wassermanagements untersucht, wie die illegale, übermäßige und unkontrollierte Wasserentnahme sowie die illegale Befüllung von Wasserreservoirs für die Landwirtschaft und der Betrieb von Wasserkraftwerken, ohne die ökologischen Kriterien zu erfüllen.
Wasserstress
Unter dem Begriff „Wasserstress“ wird ein steigendes Risiko für Umweltprobleme und wirtschaftliche Schwierigkeiten verstanden. Gemessen wird dieser anhand des Wassernutzungs – Index. Der Index beschreibt das Verhältnis der gesamten Wasserentnahmemenge des betrachteten Jahres zum langjährigen Wasser-Dargebot. Wasserstress tritt (per Definition) dann auf, wenn der Wassernutzungs- Index 20% übersteigt. Wasserstress betrifft jedes Jahr durchschnittlich 20% der europäischen Landfläche und 30% der europäischen Bevölkerung. Dürren verursachen in Europa jährlich einen wirtschaftlichen Schaden von bis zu 9 Milliarden Euro. Diese Kosten könnten bei einer globalen Erwärmung von 1,5 °C auf 25 Milliarden Euro pro Jahr, bei 2 °C-Erwärmung auf 31 Milliarden Euro pro Jahr und bei 3 °C auf 45 Milliarden Euro steigen. Darin sind jedoch noch keine zusätzlichen, nicht quantifizierte Schäden an Ökosystemen und ihren Dienstleistungen, einschließlich der Nahrungsmittelversorgung, enthalten. Wasserstress wirkt sich nicht nur mengenmäßig auf die Wasserverfügbarkeit aus. Durch die fehlende Wassermenge kommt es zu einer stärkeren Schadstoffkonzentration in den Gewässern.
Wasserverbrauch
Der globale Süßwasserverbrauch hat sich in den letzten 100 Jahren versechsfacht. Weltweit werden jährlich rund 4.000 km³ Süßwasser entnommen. Durch die Art und Weise, wie wir Wasser verbrauchen, regulieren und nutzen, gerät der globale Wasserkreislauf aus dem Gleichgewicht. Dabei stellt besonders die Grundwasserentnahme in trockenen Regionen ein Problem dar, da die Entnahme meist schneller erfolgt als die Neubildung. Etwa 70% des weltweiten Süßwasserverbrauchts entfällt auf die Landwirtschaft, 20% auf die Industrie und 10% auf die kommunale Ebene. Die Landwirtschaft ist zusätzlich eine der Hauptquellender Wasserverschmutzung durch den teilweise missbräuchlichen Einsatz von synthetischen Düngemitteln
und Pestiziden. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) schätzt auf der Grundlage eines Business-as-usual-Szenarios, dass die weltweite Bewässerung für die Nahrungsmittelproduktion bis 2050 um mehr als 50% zunehmen wird. Die für diese Entwicklung notwendigen Wassermengen stehen jedoch nicht zur Verfügung.
Misswirtschaft im Wassermanagement
Die Hauptverantwortung für die Wasserknappheit liegt vor allem bei der Art und Weise, wie wir Wasser verbrauchen, regulieren und nutzen. Wir nutzen Wasser seit Jahren übermäßig und verwalten es auf eine Weise, die es dem Wasserkreislauf nicht ermöglicht, sich zu regenerieren und somit seine Rolle vollständig zu erfüllen. Durch das Stauen und Kanalisieren der Flüsse für den Siedlungsraum und die Landwirtschaft werden Wassereinzugsgebiete zerstört und Feuchtgebiete entwässert. Der nicht genehmigte Bau von Wasserreservoiren und das Befüllen derselben mit Grundwasser sowie das Betreiben von Wasserkraftwerken ohne ausreichender Restwasserabgaben stört das ökologische Flusssystem und den Wasserkreislauf. (Dass Kleinwasserkraftwerke keine ausreichende Restwassermenge abgeben, ist in den meisten europäischen Staaten de facto nicht existent, da dies gesetzlich geregelt ist, in Österreich beispielsweise durch das Wasserrechtsgesetz, in Deutschland durch das Wasserhaushaltsgesetz). In anderen Ländern sehen Gesetzeslagen teils anders aus bzw. gibt es nicht überall so strenge Vorgaben.) In den letzten Jahren haben in Europa besonders die bewässerten Flächen im Süden stark zugenommen.
Gleichzeitig leiden Europas Gewässer seit Jahrzehnten unter schlechten Bewirtschaftungspraktiken, wie der Kanalisierung von Flüssen, künstlicher Bodenbearbeitung und der Entwässerung von Feuchtgebieten. Dies hat dazu geführt, dass Wasserökosysteme nicht mehr in der Lage sind, Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen zu bewältigen. Zwei Drittel der europäischen Flüsse, die länger als 1.000 km sind, können nicht mehr frei fließen, ein Drittel der Süßwasserarten ist vom Aussterben bedroht, wertvolle Feuchtgebiete verschwinden drei Mal so schnell wie Wälder.
Klimawandel
Die Wasserknappheit wird durch die Auswirkungen des Klimawandels verschärft. Prognosen des Weltklimarates (IPCC) deuten darauf hin, dass durch den Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten in Europa abnehmende Niederschläge und höhere Temperaturen zu erwarten sind. Dadurch nimmt die Bodenfeuchtigkeit weiterhin ab, gleichzeitig werden durch die anhaltende Erwärmung Dürreereignisse immer länger, häufiger und intensiver werden. Orte, an denen die Knappheit bereits jetzt am größten ist, wie etwa im Mittelmeerraum, dürften in den kommenden Jahren noch stärkeren Belastungen ausgesetzt sein, einschließlich einer deutlichen Zunahme der Tage mit hoher Brandgefahr. Niederschläge allein können übernutzte hydrologische Systeme nicht vollständig in dem von Natur und Menschen benötigten Tempo „wieder aufladen“. Aktivitäten, die viel Wasser verbrauchen, müssen daher sorgfältig geprüft werden. Die Wasser Misswirtschaft bedroht die Existenz der Menschen. Sie schafft systemische Risiken, indem sie regionale und globale Wasserkreisläufe stört und Nahrungsmittelsysteme bedroht sowie soziale und wirtschaftliche Konflikte verstärkt. Dieses Risiko wird durch den Klimawandel verschärft.
Wasserrahmenrichtlinie
Die im Jahr 2000 verabschiedete EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bietet einen Rahmen für die Umsetzung der politischen Optionen zur Umkehr von Wasserknappheit und Dürre. Die WRRL sollte die vollständige Integration ökologischer und sozioökonomischer Gesichtspunkte in das Wasserqualitäts- und -mengenmanagement gewährleisten. Ihr Hauptziel bestand darin, bis 2015 einen „guten
Zustand“ aller Oberflächenwasserkörper und Grundwasserkörper in der EU zu erreichen. Die WRRL erlaubt eine Verlängerung auf höchstens zwei weitere Umsetzungszyklen. Die dritte und letzte Frist zur Erreichung der WRRL Ziele endet somit mit 2027. Allerdings befanden sich 20 Jahre nach der Verabschiedung der Richtlinie erst 40% der Oberflächengewässer in einem guten ökologischen Zustand – mit großen Unterschieden zwischen den Mitgliedsstaaten. Den EU-Mitgliedsstaaten ist es bisher nicht gelungen, das Gesetz in der Praxis umzusetzen. Sie kommen ihren Verpflichtungen nicht nach und werden es mit hoher Wahrscheinlichkeit auch bis 2027 nicht schaffen, die Ziele der WRRL zu erreichen. Der Wasserschutz und die Umweltziele der WRRL sind in andere Politikbereiche, insbesondere in die Energie-, Landwirtschafts- und Infrastrukturpolitik, zu integrieren.
Fazit
Wasserknappheit ist kein Naturereignis, sondern das Ergebnis einer langfristigen und umfassenden Wasser Misswirtschaft. Der Klimawandel wird das Problem zukünftig noch weiter verschärfen. Die Staaten müssen sich in ihrer Umwelt- und Klimapolitik mit der Wasserknappheit befassen. Wir müssen beginnen, die Natur wiederherzustellen, sonst stehen wir vor einer Zukunft mit schwerwiegenden Engpässen in der Wasserverfügbarkeit. Generell sollten Lebensmittel angebaut, Städte und Industrien errichtet werden, wo zukünftig unter Berücksichtigung des Klimawandels auch genügend Wasser zur Verfügung stehen wird. Um denWasserkreislauf zu erhalten, muss ein Paradigmenwechsel stattfinden. Wir müssen unsere Wassermanagementpraktiken überdenken, es braucht Wasserrückhaltemaßnahmen, eine Reduktion des Wasserverbrauchs und eine politische Koordinierung der Wasserreserven. Darüber hinaus muss die WRRL in den Gesetzen der Mitgliedsstaaten berücksichtigt werden