Das Wandern der Fische im Laufe ihres Lebens ist eine Verhaltensweise, die zum natürlichen Lebenszyklus aller heimischen Fische gehört. Wandern Fische flussaufwärts und müssen dabei eine kraftwerksbedingte Barriere überwinden, muss durch eine Fischaufstiegshilfe die Passage ermöglicht werden. Während der Wissenstand zum Thema Fischaufstieg aktuell sehr weit entwickelt ist und beispielsweise in Österreich ein fundierter Leitfaden zum Bau von Fischaufstiegsanlagen zur Verfügung steht, ist das Thema Fischschutz und Fischabstieg aktuell noch kaum bearbeitet.
Abwandernde Fische, die der Hauptströmung folgen, gelangen in der Regel unweigerlich zum Einlass von Turbinen. In Folge passieren die Fische entweder die Turbine, oder sie können mittels Barrieren von einer Turbinenpassage abgehalten oder zu einem Abwanderkorridor umgeleitet werden. Da bei Wasserkraftwerken meist der größte Teil des Abflusses durch die Turbine(n) fließt, ist grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass flussabwärts wandernde Fische erstens vor potenziellen Schäden durch Turbinen geschützt werden und zweitens ein sicher durchwanderbarer Korridor für den Abstieg zur Verfügung steht. Ziel der beiden Projekte war, das Wissen über Fischverhalten und mögliche Probleme für die Flussfischfauna, die bei der flussabgerichteten Passage von Kraftwerksanlagen auftreten können, zu erweitern sowie Lösungsvorschläge zu erarbeiten, wie potenzielle Schädigungen bestmöglich verhindert werden können.
Ergebnisse
Für die Höhe der Verletzungs- bzw. Mortalitätsraten ist bei Wasserkraftanlagen nicht der Anlagentyp allein entscheidend. Der gleiche Anlagentyp kann je nach Standort und den dort gegebenen Rahmenbedingungen im Ergebnis deutliche Unterschiede bei den Mortalitätsraten aufweisen. Faktoren wie Fallhöhe, Schaufelanzahl, Drehzahl, Turbinendurchmesser und -größe sowie auch die Fischart, -größe und das Altersstadium spielen dabei eine bedeutende Rolle. Zusammenhänge zwischen Fischabstieg und Mortalitätsrate gibt es bei großen Fallhöhen, hohen Drehzahlen der Turbinen und höheren Drehgeschwindigkeiten. In diesen drei Fällen steigen auch die Mortalitätsraten der Fische mit dem Abstieg über die Kraftwerke. Außerdem müssen direkte/unmittelbare Schädigungen und sekundäre Mortalität, die erst Tage oder sogar Wochen nach der eigentlichen Turbinenpassage auftreten kann, berücksichtigt werden.
Alle potenziell verfügbaren Korridore wie Turbine, Restwasserdotierbauwerke, Fischabstiegshilfen, Fischaufstiegshilfen und Wehrüberläufe werden auch für den Fischabstieg angenommen. Die untersuchten Feinrechen mit 15 bzw. 20 mm Stababstand waren keine effektive Barriere und konnten daher einen Großteil der Fische nicht von der Turbinenpassage abhalten, so die deutsche Studie. Generell lässt sich beobachten, dass Kaplanturbinen ein geringeres Verletzungsrisiko für Fische aufweisen als Francis Turbinen, beide aber im Vergleich zu „alternativen“ Turbinentypen (z.B. VLH-Turbine, Alden Turbine, Schnecken) erhöhte Fälle von Schädigungen aufweisen.
Konkrete Maßnahmen
Technische Maßnahmen
Je nach Anlagentyp und Turbinentechnik können unterschiedliche Prinzipien für den Fischschutz und den Fischabstieg an Wasserkraftanlagen verfolgt werden. Dabei müssen immer auch die standörtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden. Bei VLH-Turbinen und bei Kaplan- Turbinen gehen aus den Untersuchungsergebnissen Verbesserungsmöglichkeiten wie die Minimierung der Schaufelblätteranzahl, die Vergrößerung des Abstands zwischen den Schaufelblättern, die möglichst dicke, breite und abgerundete Ausführung der Schaufelkanten und eine möglichst geringe Drehzahl hervor. Das Vermeiden von scharfen Kanten, beispielsweise durch die Anbringung einer Gummilippe oder eines Kunststoffschutzes an der Eintritts- und Austrittskannte bei Wasserkraftschnecken schützen den Fisch beim Passieren der Anlage. Die Minimierung des Spaltmaßes zwischen Schnecke und Trog sowie eine ausreichend tiefe Ausgestaltung des Unterwassers am Turbinenauslauf sind zu bevorzugen. Je höher die Schädigungsraten von Turbinen ausfällt, desto wichtiger wird es, Fische vor der Turbinenpassage zu schützen. Den effektivsten Schutz vor Eintritt in eine Turbine bieten mechanische Barrieren, das sind im Wesentlichen Rechenanlagen in unterschiedlichen Ausführungsvarianten. Trotz den Ergebnissen aus der TU München kann hinsichtlich des effektiven Schutzes die Faustregel angewandt werden, dass die lichte Weite einer Rechenanlage mit 10 multipliziert werden kann, um die Länge der Fische zu ermitteln, die mittels Rechen vom Turbineneinzug geschützt werden können. Ein Rechen mit einem Stababstand von 1 cm schützt also Fische ab ca. 10 cm Länge. Freilich spielen Fischart und Körperform dabei eine Rolle, aber nachdem der Aal in Österreich nicht von Relevanz ist, erscheint diese Faustregel in der Praxis jedenfalls anwendbar. Zusätzlich sollte die maximale Anströmgeschwindigkeit eines Rechens 50 cm/s nicht übersteigen.
Flussbauliche Maßnahmen
Der Bypass Eintritt bzw. alternative Abstiegskorridor für Fische sollte nicht nur auffindbar, sondern auch attraktiv und mit geringem Schädigungspotenzial gestaltet werden. Außerdem lässt sich sagen, dass bei der Ausgestaltung von Spülrinnen oder Kronenausschnitten und dem Anschlussgerinne/-bypass ins Unterwasser auf Bauteile, die Verletzungen verursachen können, geachtet werden sollte. Außerdem sollte bei Anschluss in das Unterwasser über einen freien Überfall grundsätzlich auf ein ausreichendes Unterwasserpolster geachtet werden. Für den Schutz strömungsliebender, kieslaichender Fischarten sind möglichst viele freie Fließstrecken zu erhalten, wiederherzustellen und/oder strukturell aufzuwerten. Wo dies nicht umsetzbar ist, kann die Schaffung fischökologisch funktionaler Ersatzlebensräume zu einer Verbesserung der fischökologischen Situation beitragen. Auch der Rückbau von Ufer- und Sohlsicherungen, Struktureinbringungen, eine Abflachung von Uferböschungen und die Schaffung von Flachwasserzonen als Laich- und Juvenilhabitate können sich positiv auf die Fischökologie auswirken. Durch eine zweite Abweisvorrichtung am unterwasserseitigen Ende des Triebwasserweges könnte die Kraftwerksanlage faktisch von Fluss abgetrennt werden. Bei gleichzeitiger und fischökologisch optimierter Bereitstellung alternativer Wanderkorridore (z.B. Wehrüberlauf, Wehrdotation, FAH) können Fischwanderungen und Kraftwerk bestmöglich voneinander isoliert werden.
Turbinenmanagement
Zusätzlich zur fischverträglichen Technik können entsprechende Turbinenmanagements zum Fischschutz beitragen. Das bedeutet, die Turbine in Hauptwanderzeiten und bei ungünstigen Abflussbedingungen abzuschalten. Das Fahren im niedrigen Lastzustand ist bei Kaplan-Rohrturbinen und VLH-Turbinen möglichst zu vermeiden. Dabei müssen die Abstiegsmuster verschiedener Fischarten im jeweiligen Gewässersystem bekannt sein.
Fazit
Die Autoren der deutschen Studie ziehen anstelle des Neubaus in unberührten Flussgebieten, den Einbau von Wasserkraftanlagen an bestehenden Querbauwerken ohne Wasserkraftnutzung vor. Generell sollten bestehende potenzielle Korridore an Kraftwerken für den Fischabstieg attraktiver gestaltet und optimiert werden, bevor eigene Fischabstiegshilfen angedacht werden. Die Adaptierung bei bestehen Kraftwerken ist im Regelfall kostenintensiv. Aktuelle Untersuchungsergebnisse zeigen, dass FAHs häufig auch als Weg für den Abstieg angenommen werden. Um eine sichere Fischabstiegsmöglichkeit zu schaffen, wird es an manchen Standorten nötig werden Fischabstiegshilfen zu errichten. Um das Fischabstiegsgeschehen und die dabei potenziell auftretenden Schädigungen an Fischen umfassend zu erheben bzw. beurteilen zu können, sollten aus Sicht der Autoren alle Korridore betrachtet werden. Untersuchungen einzelner Korridore werden als wenig zweckmäßig eingestuft, da dabei immer nur Teilaspekte betrachtet werden können. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Überlegungen zur Lage und Dotation potenzieller Abwanderkorridore sowie Möglichkeiten zur Kombination von FAH und Fischabstieg, unter Berücksichtigung von Ausbaudurchfluss, Hydrologie, Überwassersituationen, Restwasserdotation, Turbinentyp, Fischartenspektrum etc. in jeden Planungsprozess Eingang finden sollten. Durch einen holistischen Planungsansatz können Synergien früh erkannt sowie ökologisch und ökonomisch attraktive Lösungen entwickelt werden.