Und was hat das mit der Energiewende zu tun?
„Wasserkraft ist zwar eine erneuerbare Energieform, aber sie produziert ja kaum Kilowattstunden, damit werden wir das Klimaproblem nicht lösen“ – solche Aussagen werden auch als Whataboutism bezeichnet: man zeigt mit dem Finger auf Menschen, Verhaltensweisen oder Technologien und relativiert deren Leistung oder Bedeutung mit dem Verweis auf das, was diese nicht oder nur ungenügend leisten.
Derartige Aussagen reihen sich ein in eine lange Liste der Whataboutismen, wie etwa: „Warum soll ich Ökostrom kaufen, wo doch die großen Tanker so viel Erdöl brauchen und China so viel CO2 in die Luft bläst?“
Whataboutism kursiert als Phänomen häufig in der Klimadebatte. „What about“ könnte man auf deutsch als „ja, aber…“ übersetzen: „Ist ja schön und gut, dass du jetzt Ökostrom beziehst, aber in den Urlaub fliegst du doch immer noch.“
Was Whataboutism tut, ist die Konsequenzen unseres Handelns kleinzureden und damit ein „weiter wie bisher“ zu befördern. Whataboutism zeigt dabei nur mit dem Finger, bietet aber keine Lösungen an. Er verfällt häufig einer Mentalität des „Alles oder Nichts“, wodurch diejenigen demotiviert und entwertet werden, die bereits – und seien es kleine – Beiträge zum Beispiel zum Klimaschutz und der Energiewende leisten. Diese Mentalität von „Alles oder Nichts“ bringt uns aber gerade im Klimaschutz nicht voran. Es gibt keinen Menschen, der perfekt klimaneutral lebt und damit auch immer Whatabouts, die man bemängeln kann. Diese Erwartungshaltung an jemanden zu stellen ist unangebracht und nicht zielführend. Außerdem geht es um die positive Wirkung, die jede einzelne Handlung bewirkt.
Zu sagen, dass der Bezug von Ökostrom plötzlich nichts mehr wert ist, weil man doch auch noch manchmal in den Urlaub fliegt, ist nicht angebracht und zudem destruktiv. Indem man derartiges behauptet, erkennt man positive Bemühungen ab und untergräbt diese zusätzlich.
Es kann sich außerdem sehr negativ auf Personen auswirken, die gerade anfangen sich mit einem nachhaltigen Lebensstil auseinanderzusetzen. Es gibt einfach so viele Dinge, die man privat umstellen könnte und berücksichtigen sollte, dass es schlichtweg überfordernd sein kann. Wenn jemand gerade an der Umstellung der Mülltrennung arbeitet und diese Person von anderen dann nur Kritikpunkte genannt bekommt, anstatt Lob für die eigenen Bemühungen, wirkt das eher entmutigend. Dabei sollten wir uns doch eher gegenseitig motivieren und unterstützen!
Was wir als Gesellschaft hingegen brauchen sind positive Geschichten des individuellen und kollektiven Handelns, die andere motivieren und sie mitziehen. Es sind auch Geschichten darüber, dass Einzelne sehr wohl etwas bewegen können – im Rahmen ihrer Möglichkeiten eben. Und zwar jetzt! Jeder Mensch kann für sich kleine Lösungen finden und darf auch stolz darauf sein, wenn er oder sie sie umsetzt und damit Stück für Stück in ein CO2 freieres Leben hineinwächst – und dabei vielleicht merkt, dass es weniger mit Verzicht als viel mehr mit einem Gewinn an Lebensqualität zu tun hat.
Dasselbe gilt auch für die Politik, die wichtige Schritte zu Klimaschutz und Energiewende JETZT setzen muss und nicht erst dann, wenn es zu spät ist. Sie hat die Macht, groß angelegte Veränderungen herbeizuführen. Auch hier wirkt der Whataboutism gefährlich, da das gegenseitige Beschuldigen davon ablenkt, dass die Politik in ihre Verantwortung geht und klar Position für das Klima bezieht und hier sozial gerechte Wege findet.
Und was hat das alles mit der Kleinwasserkraft zu tun?
Ziel des Whataboutism ist es, aus guten Absichten die schlechten Seiten hervorzuheben. Gerade die Kleinwasserkraft wird oft damit konfrontiert, dass es ja viele andere Technologien zur klimafreundlichen Stromerzeugung gibt, dass in Ökosysteme eingegriffen wird oder dass
die Kleinwasserkraft nur einen geringen Beitrag zur Energieversorgung beiträgt.
Dabei wird aber gerne vergessen (oder gar bewusst nicht gesagt), dass wir alle verfügbaren Maßnahmen setzen müssen, um in der Stromerzeugung klimaneutral zu werden. Also nicht entweder Effizienzmaßnahmen umsetzen ODER Erneuerbare ausbauen, sondern Effizienzmaßnahmen UND alle Erneuerbaren Energien naturverträglich ausbauen. Ebenso wenig wie es den perfekt klimaneutral lebenden Menschen gibt, gibt es auch nicht die perfekt nachhaltige Energiegewinnungsform, die ohne Auswirkungen auf unsere Umwelt bereitgestellt werden kann.
Dieses Phänomen betrifft nicht nur speziell die Kleinwasserkraft, sondern alle Erneuerbaren. Sei es die Photovoltaik, die in ihrer Herstellung kritisiert wird, die Windkraft, die ins Landschaftsbild eingreift oder eben Wasserkraftwerke. Es wird einfach vergessen die Dinge in den jeweiligen Kontext zu setzen. Fossile Brennstoffe machen nach wie vor weltweit ein Viertel der CO2 –Emissionen aus und werden weiter subventioniert. Dennoch werden häufig die Erneuerbaren Energieformen für verhältnismäßig kleine Probleme kritisiert oder in ein schlechtes Licht gerückt.
Das hängt eben genau mit dieser Erwartungshaltung zusammen, dass klimafreundliche Projekte oder Handlungen sofort zu 100% perfekt sein müssen.
Gerade im Bereich der Energiewende ist es wichtig, persönlich gut informierte Entscheidungen zu treffen. Es ist nicht mehr zeitgemäß, nur einer Quelle zu glauben, sondern es ist unsere individuelle Pflicht, uns umfassend zu informieren, um fundierte Entscheidungen zu treffen.