Seit Mitte 2021 sind die Strompreise an den Großhandelsmärkten in Europa stark angestiegen, der Höhepunkt war im Juli 2022 mit einem 10-fachen Niveau im Vergleich zu 2019-2020. Diese Preissteigerungen sind anschließend zeitlich verzögert auch bei den Haushaltskunden angekommen. Mittlerweile sind die Preise wieder gesunken, sie befinden sich allerdings immer noch über dem Vorkrisenniveau.
Für die hohen Preissteigerungen am europäischen Strommarkt sind unterschiedliche Faktoren und deren Zusammenspiel verantwortlich. Sie zeigen aber deutlich, wie wichtig ein unabhängiges, erneuerbares Energiesystem ist.
- Zum einen wurden an vielen Atomkraftwerken in Frankreich zeitgleich verschiedene Mängel festgestellt Durch die gestoppte Produktion fehlten etwa 110 TWh Strom. Kurzzeitig stand etwa die Hälfte aller französischen Atomkraftwerke nicht zur Verfügung.
- Auch die Wasserkraft konnte 2022 aufgrund von Trockenheit weniger Strom ins Netz einspeisen. Im Vergleich zu den Vorjahren fehlten etwa 50 TWh.
- Aufgrund des russischen Angriffskriegs fielen russische Lieferungen aus. Wegen hoher globaler Nachfrage sind die Gaspreise um das vierfache angestiegen. Auch andere Brennstoffpreise wie zum Beispiel Kohle sind gestiegen.
- Weiters sind die Preise für europäische Emissionszertifikate gestiegen, da die Industrieproduktion in der EU stark zunahm. So mussten fossile Stromerzeuger für verursachte CO2-Emissionen teurere Zertifikate kaufen.
Die Mengen an Strom für Bestandskunden werden in der Regel über einen längeren Zeitraum beschafft, sodass sich Änderungen der Marktpreise erst zu einem späteren Zeitpunkt auswirken. Im Gegensatz dazu erfolgt die Beschaffung für Neukunden kurzfristiger, wodurch die Preise stärker von aktuellen Marktentwicklungen beeinflusst werden.
Aufgrund der langfristigen Beschaffungsstrategien vor der Krise, die von den meisten Energieversorgern verfolgt wurden, spiegelten sich Anstiege bei den Börsenstrompreisen nicht direkt in den Endkundenpreisen wider. Ein erheblicher Anteil der im vorangegangenen Jahr an die Endkunden gelieferten Energie wurde zu kostengünstigeren Preisen erworben, noch bevor die Krise einsetzte. Die Kunden haben eine Zeit lang von dieser vorausschauenden Beschaffung profitiert.
Dasselbe Prinzip gilt allerdings auch umgekehrt. So sind die gesunkenen Preise noch nicht zur Gänze bei Endkunden angekommen. Diese werden teilweise durch die Großhandelspreise beeinflusst, zu denen die Stromversorger im Vorjahr ihre Einkäufe getätigt haben.
Um die Belastung steigender Energiekosten für Haushalte abzufedern, haben die deutsche und österreichische Regierung 2022 eine Strompreisbremse beschlossen. Sobald der Preis bei durchschnittlichem Verbrauch einen gewissen Wert übersteigt (in Deutschland und Österreich 40 Cent pro KWh) übernimmt der Staat die Differenz. Dies soll vor allem einkommensschwachen Haushalten eine Unterstützung sein.