Ein neues Kleinwasserkraftwerk kämpft sich auf den Markt
Innovation und Einsatzorte
Die Strom-Boje besteht aus einem Energieaggregat, einer Turbine und einem Strömungskanal, welche von einem selbstreinigenden Rechen vor Treibgut unter- und oberhalb der Wasseroberfläche geschützt werden. Durch ein Stahlträgerteil mit Kette und Ankerrohren im Flussbett verankert, kann sich die Strom-Boje eigenständig in die günstigste Position ausrichten und frei in der Strömung schwimmen, welche den Rotor der Turbine antreibt und so, ähnlich wie bei Windkraftwerken, Bewegungs- in Rotationsenergie umwandelt. Der gewonnene Strom wird dann über ein speziell angefertigtes Netzkabel zu einem Netzeinspeisungscontainer am Ufer geleitet.
Die mittlerweile 3. Generation der Strom-Boje ist für große Flüsse wie die Donau, den Rhein, die Drau oder der Inn mit einer Mindestwassertiefe von drei Metern konzipiert. Mit 250 cm Rotordurchmesser liefert sie bei einer Strömung von 3,5 m/s ungefähr 100 kW Nennleistung. Je nach Standortqualität – also abhängig von Jahreswasserführung, Gefälle, Strömungsgeschwindigkeit und Wassertiefe – ist bei 8.700 Betriebsstunden und rund 3.500 Volllaststunden eine Leistung von bis zu 350 MWh im Jahr möglich. Kleinere Modelle und Rotoren funktionieren auch bei geringerer Tiefe. Die Strom-Boje kann sowohl autark als auch netzgebunden, am besten allerdings in Serie, mit einem Längenabstand von mindestens 50 Metern und einem Seitenabstand zwischen 5 und 7 Metern, betrieben werden.
Wirtschaftlich einsetzbar ist sie mit dem heutigen technischen Standard in Strömungen ab durchschnittlich 1,8 m/s, wobei Steigerungen in der Strömungsgeschwindigkeit die Leistung deutlich erhöhen.
Umwelt- und Klimaschutz
Der neuartige Ansatz der Strom-Boje umgeht die Notwendigkeit baulicher Maßnahmen wie z.B. Stauwerke und Fischaufstiegshilfen in Flüssen und gewährleistet so die Durchgängigkeit der Gewässer. Fische werden sowohl mechanisch als auch akustisch, durch die von den Rechenstäben verursachten leichten Turbulenzgeräusche, vor der Berührung mit dem Repeller (Laufrad) geschützt, welcher zusätzlich auch noch mit einer stark gerundeten, fischfreundlichen Vorderkante ausgestattet ist. Untersuchungen, Gutachten und Monitorings von österreichischen Universitäten und zivilen Fachleuten belegen, dass der Eingriff in die Wasserqualität, den Flussgrund und die Strömungsverhältnisse minimal ist und weder Fauna noch Flora des Flusses beeinträchtigt werden. Auch Freizeitaktivitäten vom Baden bis zum Wassersport sind problemlos möglich, und sogar die Schifffahrt wird innerhalb der Schifffahrtsrinne dank sogenannter Schifffahrtssicherungsbojen nicht beeinträchtigt. Selbst bei Hochwasser gibt es keinerlei Gefahr, da die Strom-Boje den Wasserpegel nicht beeinflusst und bei hohen Wasserständen selbstständig untertaucht. Weil außerdem keine Stromspeicher oder Starkstrom-Überlandleitungen benötigt werden, ist die Strom-Boje auch ideal zur regionalen und dezentralen Stromversorgung geeignet.
Hindernisse und Herausforderungen
Der bisherige Werdegang der Strom-Boje verlief allerdings nicht ohne Schwierigkeiten. Obwohl die Vorgängergesellschaft der Aqua Libre GmbH schon 2005 gegründet wurde und die ersten Prototypen bereits 2006 intensive Testprogramme in der Donau durchliefen, hat die Serienproduktion immer noch nicht begonnen. Größtes Hindernis war die fehlende Förderung. Denn Innovation kostet, und die langjährige Entwicklungsarbeit war sowohl mit hohen materiellen als auch finanziellen Aufwendungen verbunden. Unterstützung von Behördenseite gab es kaum, das wirtschaftliche Überleben war nur durch vier Runden von privaten Anleihen möglich. Auch große technische Herausforderungen und Probleme mit dem Energieaggregat haben zur langen Entwicklungsdauer beigetragen und finanziellen Druck auf die Zusammenarbeit mit diversen Partnern aufgebaut. Die Fischverträglichkeit und zahlreiche Sicherheitsbedenken mussten sorgfältig ausgeräumt werden, und erst kürzlich hat eine ausgebliebene Pachtzusage drei lange geplante und in enger Kooperation mit den Behörden ausgearbeitete Strom-Bojen-Parks in Dürnstein, St. Michael und Arnsdorf ins Wackeln gebracht. Die Abhängigkeit von solchen Entscheidungen, und die damit einhergehende Unsicherheit, erschwert die Planbarkeit von Investitionen und das Erreichen einer kritischen Produktionsmasse, die benötigt wird, um hohe Startkosten bei der Serienfertigung und eine wirtschaftliche Herstellung zu finanzieren. Als Antwort auf diese Herausforderungen setzt die Aqua Libre GmbH neben privaten Kapitalgeber*innen auf enge Zusammenarbeit mit heimischen und internationalen Qualitätsbetrieben. Die Stahlkomponenten der Strom- Boje, der Kunststoffdiffusor, der Generator und die gesamte Einspeise- und Steuerungselektronik kommen von österreichischen Unternehmen. Zudem wurde die Entwicklungsarbeit von vielen Modellversuchen in der Schifffahrtstechnischen Versuchsanstalt, sowie von Universitätsinstituten der TU Wien und der BOKU Wien begleitet und unterstützt.
Zukunftspläne
Die Serienproduktion soll Anfang 2025 starten, und schon jetzt gibt es große Pläne für die Strom-Boje. Erstes Projekt ist die Errichtung mehrerer Strom-Bojen-Parks bei Korneuburg. Behördliche Bewilligungen werden 2025 erwartet, die ersten Erträge sind ab Mitte 2026 geplant. Neben Österreich gibt es derzeit in Deutschland, der Schweiz und der Slowakei konkrete Projekte – an insgesamt mehr als 100 Standorten. Doch auch außerhalb von Europa gibt es großes Potenzial, vor allem in Entwicklungsländern, in denen die Strom-Boje auch ohne verlässliche Netzinfrastruktur regional saubere Energie liefern könnte. FAZIT Die Strom-Boje kann überall dort eingesetzt werden, wo es aus ökologischen Gründen keine Chance für herkömmliche Kraftwerke gibt. Doch wie bei vielen neuen Ideen in der Branche stellen lange Behördenwege ein Problem dar. Auch die Förderungen müssten angepasst werden und die Strom-Boje in die Liste der förderfähigen Technologien aufgenommen werden. Sie ist ein innovatives und mittlerweile ausgereiftes Konzept, das nach langer Entwicklung nun kurz vor dem Markteintritt steht. Ideal für größere Flüsse ist sie die perfekte Ergänzung für traditionelle Kleinwasserkraftwerke und ein weiterer Pfeil im Köcher der Erneuerbaren im Ringen um die Energiewende.