Die Stromversorgung in Österreich soll bis 2030 vollständig aus Erneuerbarer Energie gedeckt werden, so das Ziel des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes (EAG). Neben dem Ausbau der Erneuerbaren ist die Modernisierung der Strominfrastruktur ein ebenso wichtiger Faktor. Die Kleinwasserkraft spielt beim Netzausbau eine entscheidende Rolle.
Die Netzinfrastruktur in Österreich
Die Netzinfrastruktur setzt sich aus mehreren regionalen und überregionalen Ebenen zusammen. Zuständig für die bundesweite Stromverteilung sind die APG (Austrian Power Grid) und regionale Netzbetreiber (z.B. EVN, Wien Energie, Energie Steiermark, …). Die APG verbindet außerdem das österreichische Stromnetz mit dem europäischen Strommarkt und ist für Importe und Exporte verantwortlich.
Elektrische Netze werden heutzutage mit Dreiphasenwechselstrom betrieben. Das ermöglicht die Anpassung der Elektrizität auf eine bestimmte Spannung. Elektrische Spannung wird in Volt gemessen und beschreibt den Druck auf freie Elektronen. Sie ist die Ursache von elektrischem Strom und entsteht durch Ladungsunterschied zwischen zwei Polen.
In Knotenpunkten der Netzinfrastruktur wird der Strom durch Umspannwerke und Transformatoren auf die jeweilige notwendige Netzspannung umgewandelt. Dabei kommt es ausnahmslos immer zu Stromverlusten.
Für den Stromtransport zwischen Erzeuger und Verbraucher sind Stromleitungen notwendig, die einem streng hierarchischen Schema folgen: je nach Spannung und transportierter Energiemenge werden die Leitungen in verschiedene Netze und Ebenen unterteilt.
Im Übertragungsnetz liegt die Höchstspannungsebene auf einem Spannungsniveau zwischen 220 Kilovolt (kV)und 380 kV. Dort werden große Energiemengen direkt aus Kraftwerken möglichst verlustarm über weite Strecken transportiert. Im Übertragungsnetz findet auch der internationale Stromtransport statt.
Um den Strom für Endverbraucher zugänglich zu machen, wird dieser vom Übertragungsnetz in das Verteilernetz überführt. Das europaweite Verteilernetz gliedert sich in drei Netzebenen:
- Die Hochspannungsebene ermöglicht eine erste, großflächige Verteilung des Stroms, ausgehend von der Höchstspannungsebene, zu Städten und großen Industriegebieten. Die Spannung beträgt hier 110 kV.
- Die Mittelspannungsebene speist von der Hochspannungsebene ein und versorgt Stadtteile und mehrere Ortschaften in ländlichen Regionen mit Strom (im Bereich 1 kV bis 36 kV) .
- In der Niederspannungsebene wird der Strom aus den regionalen Verteilernetzen in Privathaushalte und kleinere Betriebe transportiert. Dieser Strom hat eine verbraucherfähige Spannung von 230 V und kann direkt aus der Steckdose bezogen werden. Ebenfalls werden auch 400 V Starkstromanschlüsse, beispielsweise für Backöfen, mit Strom versorgt.
Werden großen Strommengen über weite Strecken transportiert, beispielsweise durch Seekabel für die Versorgung von Inseln, wird oft noch Gleichstrom mit hoher Spannung verwendet. Dadurch sind die Übertragungsverluste geringer, die Kosten fallen allerdings deutlich höher aus. Grund dafür sind die deutlich höheren Investitionen für Bau und Instandhaltung der dafür notwendigen Infrastruktur.
Stabilität im Stromnetz
Die Frequenz im europäischen Verbundnetz beträgt 50 Hertz. Um diese Frequenz zu halten, darf immer nur so viel Strom in das Netz eingespeist werden, wie auch verbraucht wird. Schon geringe Abweichungen von 0,1 Hertz führen zu Störungen und Kurzschlüssen.
Das Worst-Case-Szenario bei starken Netzschwankungen ist ein Blackout. Als Blackout bezeichnet man einen großflächigen, zumindest einige Stunden andauernden Stromausfall in weiten Teilen des Landes, von dem Privathaushalte sowie wichtige Infrastruktureinrichtungen gleichermaßen betroffen sind. Ein Blackout darf allerdings nicht mit einer geplanten Unterbrechung des Stromnetzes, zum Beispiel bei Bauarbeiten, oder einer einfachen Frequenzstörung gleichgesetzt werden. Neben starken Frequenzschwankungen können auch extreme Witterungen oder Cyberangriffe die Ursache für einen Blackout sein. Österreich ist, besonders im Winter, ein Stromimportland. Die Versorgungssicherheit in Österreich ist also auch zu großen Teilen abhängig von den Bedingungen in den Nachbarländern.
Blackouts und gröbere Störungen im Stromnetz fallen in den Zuständigkeitsbereich der APG. Die APG führt in regelmäßigen Abständen Krisenfallübungen und Stresstests am Stromnetz durch. In Kombination mit ständigem Monitoring und dauerhaft verfügbarer Regelenergie ermöglicht dies in Österreich eine Versorgungssicherheit von 99,99% – ein weltweiter Spitzenwert.
Um Schwankungen im Stromnetz entgegenzuwirken, kommt Regelenergie zum Einsatz. Regelenergie bezeichnet eine Stromreserve zum Ausgleich von Frequenzschwankungen. Man unterscheidet zwischen positiver und negativer Regelenergie, je nachdem, ob dem Stromnetz Strom zugeführt oder entnommen werden muss.
Die in Österreich zur Verfügung stehende Regelenergie kann in drei Kategorien unterteilt werden:
- Die Primärregelung (PRL) ist die erste Option, auf die bei Netzschwankungen automatisch zurückgegriffen wird, wenn ein bestimmter Frequenzbereich über- oder unterschritten wird. Die Primärregelung reagiert bei Netzschwankungen in weniger als 30 Sekunden, um die Stabilität der Netzfrequenz wieder herzustellen. Der PRL-Markt in Österreich ist mit dem von Deutschland, Belgien, den Niederlanden und der Schweiz gekoppelt. Bei Netzschwankungen wird ein Teil der Primärregelleistung auch aus anderen europäischen Ländern zur Verfügung gestellt. Den Großteil muss allerdings das jeweilige Land selbst aufbringen. Primärregelleistung kann auch von regelbaren, Erneuerbaren Energieträgern wie beispielsweise Wasserkraft oder Biogas generiert werden.
- Die Sekundärregelung (SRL) ist die zweite Sicherung der Netzstabilität. Sie kommt bei längeren und stärkeren Schwankungen zum Einsatz. Der Zugriff auf diese Kapazitäten muss von der APG angefordert werden und kann parallel zur Primärregelung geschalten werden. Die Sekundärregelung ist in der Funktionsweise sehr ähnlich zur Primärregelung und ermöglicht ebenfalls, Strom zuzuführen oder zu entnehmen. Eine negative Stromreserveleiste bei einem Überschuss kann hier allerdings sowohl von Produzenten als auch von Verbrauchern erbracht werden.
- Die Teritärregelung, auch Minutenreserve genannt, stellt bei längerfristigen Problemen im Stromnetz die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung. Für positive Regelenergie steht Strom aus Kraftwerken und anderen regelbaren Lasten zur Verfügung. Dazu zählen beispielsweise Industrieöfen oder Nachtspeicherheizungen. Um eine negative Regelenergie zu erzielen, können Kraftwerke heruntergefahren werden. Außerdem können zusätzliche Lasten in Form von Pumpspeicherkraftwerken aktiviert werden – diese benötigen Energie, um das Wasser in höher gelegene Stauseen oder Becken zu pumpen.
Regelenergie steht in Österreich dauerhaft im Ausmaß von 2.500 bis 3.500 Megawatt zur Verfügung. Für die Speicherung kommen vor allem Gaskraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke zum Einsatz. Pumpspeicherkraftwerke bieten den Vorteil, dass Energie gespeichert und überschüssiger Strom aufgenommen werden kann. Sie sind außerdem schnell abrufbar und einsatzbereit.
Die Erneuerbaren stellen das österreichische Stromnetz vor große Herausforderungen
Das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz sieht vor, dass bis 2030 die Energieversorgung in Österreich zu 100% aus Erneuerbarer Energie besteht. Dazu muss die jährliche Stromgewinnung der Erneuerbaren um 27 TWh gesteigert werden. Zum Vergleich: Österreich hatte im Jahr 2021 einen Gesamtstromverbrauch von ca. 67 TWh.
Der Umstieg auf Erneuerbare Energien bringt große Herausforderungen mit sich. Die bisherige Netzinfrastruktur ist für Großkraftwerke ausgelegt: an wenigen Standorten werden große Energiemengen in das Netz eingespeist und von anschließend verteilt. Mit der immer größer werdenden Anzahl an Erneuerbaren nimmt das Stromnetz nun vermehrt geringere Mengen Strom aus vielen einzelnen, dezentralen Quellen auf.
Eine weitere Unsicherheit stellt die Abhängigkeit von Umwelteinflüssen (Sonnenstunden, Witterung, Temperatur, …) dar. Durch die damit verbundene unregelmäßige Stromgewinnung kommt es häufiger zu Schwankungen im Stromnetz.
Die aktuelle Infrastruktur der Stromnetze in Österreich ist nicht auf diese vermehrten Schwankungen vorbereitet und kann neue Technologien nur teilweise integrieren. Um die dezentralen Produzenten zu vernetzen und die Schwankungen einfacher ausgleichbar zu machen, ist ein massiver Netzausbau notwendig.
Die Bedeutung der Kleinwasserkraft
Eine wichtige Rolle beim Netzausbau spielt die Kleinwasserkraft. Wasserkraftwerke bieten eine stetige Stromgewinnung mit hohen Volllaststunden . Die Volllaststunden pro Jahr bezeichnen die notwendige Betriebszeit einer Anlage bei Volllast (Sollleistung) um die Jahresenergiemenge zu erreichen. Bei einem Kraftwerk, das mit halber Leistung läuft, entsprechen zwei Betriebsstunden also einer Volllaststunde. Ein direkter Anschluss der Kraftwerke an das Verteilernetz ermöglicht außerdem einen geringen Energieverlust. Weiters sind Wasserkraftwerke durch eine anpassbare Leistung sehr gut regulierbar. Dies vereinfacht die Frequenzhaltung im Stromnetz.
Wie ein Gutachten der Bergischen Universität Wuppertal zeigt, hebt sich die Kleinwasserkraft auch in den notwendigen Ausbaukosten der Strominfrastruktur deutlich positiv hervor. Im Vergleich zu Windkraft und Photovoltaik sind Kleinwasserkraftwerke kostengünstige Bausteine in der Erneuerbaren Energieversorgung: es ist weniger zusätzliche Infrastruktur notwendig, um Schwankungen ausgleichen zu können.
Kleinwasserkraftwerke sind zusätzlich ein wichtiger Faktor betreffend der Netzstabilität. Eine lokale Stromversorgung bei einem möglichen Blackout wird durch wird durch die Schwarzstartfähigkeit einzelner (Klein-)Wasserkraftwerke und dem Inselbetrieb sichergestellt. Unter Schwarzstart versteht man das Hochfahren eines Kraftwerks, unabhängig vom aktuellen Zustand des Stromnetzes, ein Inselnetz ist ein lokal abgegrenztes Stromnetz, welches isoliert von anderen Stromnetzten funktioniert.
Für den Ausbau der Kleinwasserkraft sind finanzielle Förderungen von politischer Seite, sowie schnellere Genehmigungsverfahren notwendig. Dieser weitere Ausbau ist nicht nur für die Energieunabhängigkeit von großer Wichtigkeit, sondern auch für die Stabilisierung des Stromnetzes und eine dauerhaft nachhaltige Energieversorgung.
Dieses Medienprojekt wurde von Einsatzstellen und Teilnehmer:innen des Freiwilligen Umweltjahres FUJ im Rahmen des FUJ-Lehrgangs gemeinsam umgesetzt (www.fuj.at)