Die (Klein-)Wasserkraft leistet weltweit einen großen Beitrag zur Energiewende und hat als Erneuerbare Technologie eine Schlüsselrolle im Kampf gegen die Klimakrise inne. Dies ist insbesondere in Alpenländern der Fall, wo durch die topografischen Gegebenheiten hohe Wassereinträge aus Schmelzwasser und Regen, und auch hohe Fallhöhen vorzufinden sind. Bei der Untersuchung der Folgen des Klimawandels für die Stromgewinnung in den Alpen wurde sich in der Vergangenheit meist auf die Energieproduktion durch Hochstau fokussiert. Hierbei handelt es sich um eine Form der Energiegewinnung, bei der Wasser in einem Stausee auf einer erhöhten Position gesammelt und dann bei Bedarf abgelassen wird, um Strom zu erzeugen. Dies steht im Gegensatz zur „Run-of-River“ (RoR) Wasserkraft (=Laufwasserkraft), bei der kein Stausee verwendet wird und der Strom direkt aus fließendem Wasser erzeugt wird. Genau dies wurde für Schweizer Kleinwasserkraftwerke genauer untersucht.
Auswirkungen des Klimawandels
Es wurde die zukünftige Stromproduktion unter drei Emissionsszenarien für 21 Schweizer Laufwasserkraftwerke (sowohl Klein- als auch Großwasserkraft) mit einer Jahresgesamtproduktion von 5,9 TWh simuliert. Das sind in etwa 10% des Stromverbrauchs in der Schweiz pro Jahr.
Die Gruppe von 21 Anlagen besteht aus 5 Anlagen mit einer geringen jährlichen Produktion (< 50 GWh pro Jahr), 12 mittelgroße Anlagen mit einer jährlichen Produktion zwischen 50 und 500 GWh pro Jahr und 4 großen Anlagen mit einer jährlichen Produktion von mehr als 500 GWh pro Jahr. In vorangegangenen Studien zur Auswirkung des Klimawandels auf die Stromerzeugung in den Alpen, die auf Vorhersagen des Wasserabflusses Einzugsgebiets-ebene beruhten, zeigte sich in der Regel, dass die zukünftige Stromerzeugung stark von Veränderungen im Wasserabfluss abhängig sein wird. Dabei wird erwartet, dass der durchschnittliche jährliche Wasserabfluss leicht abnehmen wird und es zu einer deutlichen Verschiebung im Jahresverlauf kommt, mit weniger Wasserabfluss im Sommer und mehr im Winter, was auch jeweils zu einer Verringerung bzw. Zunahme der Stromerzeugung in den jeweiligen Jahreszeiten führt. Dies konnte jetzt auch bei den Simulationen deutlich beobachtet werden. So zeigen die Simulationen einen Anstieg der Winterproduktion (4% bis 9%) und einen Rückgang der Sommerproduktion (-2% bis -22%), die zusammen zu einem jährlichen Rückgang von etwa -2% bis -7% bis zum Ende des Jahrhunderts führen.
Die Studie zeigt, dass es keine lineare Beziehung zwischen klimabedingten Veränderungen im Wasserfluss und entsprechenden Veränderungen in der Wasserkraftproduktion gibt. Es wurde bewiesen, dass die Wasserkraftproduktion in schneedominierten Einzugsgebieten trotzdem steigen kann, obwohl ein Rückgang des Wasserflusses erwartet wird. Die Menge an Wasser, die durch einen Fluss fließt, kann stark variieren. Die Auswirkungen auf die Produktion von Strom durch Wasserkraft hängen davon ab, wie viel Wasser verfügbar ist und wie oft unterschiedliche Wasserstände auftreten. Man betrachtet dazu ein Diagramm namens Flussdauer-Kurve, das zeigt, wie oft bestimmte Wassermengen überschritten oder unterschritten werden. Die Spanne bzw. Bandbreite dieser Wassermengen beeinflusst, wie viel Strom aus Wasserkraft erzeugt werden kann. Andere Faktoren, wie die Menge an Wasser, die für den Schutz der Umwelt zurückgehalten wird, spielen ebenfalls eine Rolle.
Die Höhenlage ist entscheidend
Die Studie zeigt, dass es einen starke Zusammenhang zwischen den Auswirkungen des Klimawandels auf die Stromerzeugung und der durchschnittlichen Höhe des Wassereinzugsgebiets des Wasserkraftwerks gibt. In niedrigeren Höhenlagen führt der Klimawandel zu geringeren Stromerzeugungsmengen, wobei die Auswirkungen in Proportion zur Größe des Kraftwerks stehen. Wasserkraftwerke in höheren Lagen hingegen verzeichnen eine Steigerung ihrer jährlichen Stromerzeugung um 3 bis 23%. Dies liegt daran, dass in diesen Gebieten ein größerer Anteil der Niederschläge in Zukunft als Regen anstelle von Schnee fallen wird.
Restwasserabfluss und Technische Steigerungspotenziale
Ein wichtiger Aspekt der Studie ist, dass Produktionsverluste aufgrund von Restwasseranforderungen mitberücksichtigt werden. Diese werden auf 3,5% der jährlichen Produktion geschätzt. Die größten Wasserkraftwerke in niedrigen Höhenlagen weisen nur geringe Verluste auf, während kleine und mittelgroße Anlagen in ähnlicher Höhe am stärksten betroffen sind. Durch die Optimierung der Auslegung des Abflusses kann eine Produktionssteigerung um 8% der jährlichen Produktion erreicht werden, was in etwa 467 GWh pro Jahr entspricht. Die Optimierung des Auslegungsabflusses bezeichnet die Anpassung der festgelegten Wassermenge, die ein Wasserkraftwerk für die Energieerzeugung nutzen kann. Dies kann darauf abzielen, die Leistung und Effizienz des Kraftwerks zu verbessern, ökologische Auswirkungen auf die Umwelt zu minimieren und den Betrieb flexibler zu gestalten. Das größte Potenzial zur Steigerung der Produktion besteht hierbei bei kleinen und mittelgroßen Wasserkraftwerken (<500 GWh / Jahr) in höheren Lagen. Die Potenzialsteigerung durch ein verbessertes Abflussdesign ist dabei vor allem im Sommer deutlich, im Winter kann dadurch siebenmal weniger Potenzial ausgeschöpft werden. Bei 11 der 21 Wasserkraftwerke konnte ein verbesserter Ausbaudurchfluss sogar die Produktionsverluste aufgrund des Klimawandels ausgleichen, nimmt man die Verluste durch Restwasseranforderungen dazu, sind es allerdings nur mehr 6 Anlagen. Da bei der Simulation der Ergebnisse (bis zu 7% jährlichen Rückgangs) wesentliche Faktoren wie Klimawandel, Restwasserabfluss und Optimierung des Ausbaudurchflusses mitberücksichtigt werden, sind die Ergebnisse verlässlicher als die bisher prognostizierte Zunahme von 4% in vergangenen Studien. Die Studienergebnisse sind auf ähnliche Situationen in anderen alpinen Standorten übertragbar. Es ist jedoch wichtig, dabei die jeweiligen Restwasservorschriften zu berücksichtigen.
Ausblick
Die alpine Laufwasserkraft wird aufgrund der Klimakrise in Zukunft im Sommer weniger und im Winter mehr Strom erzeugen. Das ist für die Energiewirtschaft deshalb von Bedeutung, da die kritischste Phase für die Deckung des Strombedarfs ebenfalls der Winter ist. In dieser Jahreszeit verbrauchen Haushalte durchschnittlich 40% mehr Strom. Hauptgrund dafür sind die veränderten Abendstunden. Im Herbst und Winter wird das Licht früher eingeschaltet und auch andere Geräte wie Fernseher und Herd sind häufiger in Betrieb. Der Stromverbrauch im Sommer liegt bei zehn Kilowattstunden pro Haushalt und Tag, während es zwischen September und April 14 Kilowattstunden sind. Genau in dieser Zeit ist eine Mehrproduktion der alpinen Laufwasserkraft von Vorteil. Der prognostizierte Rückgang im Sommer ergänzt sich hierbei gut mit der Photovoltaik. Aufgrund des Klimawandels werden auch deutlich mehr Sonnenstunden erwartet, welche im Sommer dieses Defizit ein wenig ausgleichen könnten. Um Produktionsverlusten insgesamt vorzubeugen, sind Maßnahmen zur Reduktion der klimaschädlichen Emissionen unumgänglich,
außerdem können Anpassungsmaßnahmen und Optimierungen desAusbaudurchflusses das Potenzial erhöhen.